Bequemer Chic, nicht nur im Homeoffice

Als Joschka Fischer 1985 seinen Amtseid als hessischer Staatsminister für Umwelt und Energie in Turnschuhen leistete, sorgte dies noch für einen handfesten Skandal. Inzwischen hat sich die Welt weitergedreht und Sneakers sind im Büro ebenso etabliert wie im Club oder in der Sporthalle. Im Homeoffice seid ihr ohnehin etwas freier in der Kleiderwahl. Aber auch in der Firma müsst ihr wegen sportlicher Kleidung kaum mit einem Rüffel aus der Chefetage rechnen. Mit etwas Fingerspitzengefühl bei der Wahl der Kleidung könnt ihr eventuell sogar einen besonders guten Eindruck machen. Denn bürotaugliche Sportswear wirkt nicht so bieder wie der althergebrachte Dresscode, sondern steht für Dynamik, Tatendrang und Kreativität. Und diese Attribute sind bekanntlich überall gerne gesehen.

Sportliche Kleidung sorgt für frischen Wind im Büro

Auch wenn Karl Lagerfelds Bonmot „Wer eine Jogginghose trägt, hat die Kontrolle über sein Leben verloren!“ für die Ewigkeit gesprochen wurde, darf dem verstorbenen Großmeister der Mode vorsichtig widersprochen werden. Natürlich kann man geteilter Meinung darüber sein, ob eine ausgebeulte, mausgraue Jogginghose als kleidsamer Freizeit-Chic durchgehen kann. Und bürotauglich ist dieser Look mit Sicherheit nicht. Es gibt aber zahlreiche andere Kleidungsstücke, bei denen die Grenzen von freizeitlicher Entspannung, sportlicher Aktivität und Arbeitszeit zumindest optisch weitgehend aufgehoben sind. Das kanadische Modelabel Dsquared ist ein mehr als eindrucksvolles Beispiel dafür, dass ihr nicht mehrfach täglich die Klamotten wechseln müsst, um für die jeweilige Gelegenheit passend gekleidet zu sein.

Es muss nicht immer der Anzug sein

Okay, Männer werden ihn auch in der Zukunft zu einigen Anlässen noch benötigen. Allerdings zeichnet sich schon seit einigen Jahren ein klarer Trend zur schicken Sportswear, die nicht zwingend beim Workout getragen werden muss. Wie sehr die Grenzen verschwimmen, zeigt ein Blick in den Einzelhandel: Hier hängen längst edle Marken neben den aus dem Sportbereich stammenden Labels wie Adidas, Nike oder Kappa. Längst macht man sich auch in diesen Häusern Gedanken darüber, wie sportliche Kleidung straßentauglich wird. Und was auf der Straße wohlwollend zur Kenntnis genommen wird, könnt ihr in den meisten Fällen auch im Büro tragen. Schlanke Cargohosen in Wollstoffqualität zum einfarbigen Rollkragenpullover sind ein Beispiel dafür, dass sogar Männer ziemlich casual in der Firma am Schreibtisch sitzen dürfen. Und in der Damenmode widersprach sich Modezar Lagerfeld schon in der Winterkollektion 2014/15 selbst, als er seine Models Leggings und Sneakers tragen ließ. Beides ist heute gelebter Büroalltag. Gutsitzende Lederleggings nebst farblich passenden Sneakers kann frau zum Blazer tragen – und könnte so auch jederzeit auf einem Empfang beim Bundespräsidenten gehen. Jedenfalls dann, wenn der Look edel und nicht zu bunt ist.

Übrigens ist Athleisure, wie sich der hier beschriebene Trend nennt, gar nicht so jung, wie ihr möglicherweise denkt. Schon die große Coco Chanel ließ sich in den 1920er Jahren vom bequemen Look der Fischer und Matrosen inspirieren, um eine wunderbar fließende, bequeme Damenmode zu kreieren. Auf einmal galt es als Luxus, sich auch ohne Sport zu treiben in sportlicher Kleidung zu bewegen.

Das Deutsche Mode-Institut (DMI) kündigte den Trend schon vor Jahren an

Im Trendbericht des Instituts wurde bereits im Herbst 2015 von der Paarung lässiger Eleganz und urbaner Sportlichkeit als zentralen Elementen geschrieben. DMI-Präsident Gerd Müller-Thomkins damals wörtlich: „Der hybride Charakter der Mode rührt auch daher, dass wir uns in unserem Lifestyle zwischen den Welten bewegen.“ Die zunehmende Hektik des Alltags ginge einher mit dem Bedürfnis, wenigstens in der Kleidung Bewegungsfreiheit zu haben. Wer würde ihm aus heutiger Sicht widersprechen wollen? Michael Werner von der Fachzeitschrift „Textilwirtschaft“ jedenfalls unterstreicht Müller-Thomkins‘ Worte: „Es gibt eine gewisse Sehnsucht nach Behaglichkeit, nach bequemen Stoffen, nach etwas mehr Tiefe, Wärme und Charakter.“

Erfolg ist so sportlich wie dynamisch

In früheren Jahren mögen Sport und Business strikt voneinander getrennt gewesen sein. Mittlerweile sind die Grenzen so fließend, dass man sie kaum noch wahrnehmen kann. Gerade im Büro weht durch den sogenannten Active Lifestyle ein frischer Wind, der für alle Seiten klare Vorteile mit sich bringt.

  • Casual Chic ist bequem.
  • Ein ungezwungener Look vermindert die Distanzen zwischen Kunden, Kollegen und der Geschäftsleitung.
  • Sportlichkeit und Dynamik steigern die Effizienz und vermindern den Krankenstand.
  • Der Active Lifestyle ist in (fast) keiner Situation unpassend.

Ein prominentes Beispiel kennt jedes Kind

Um ein prominentes Beispiel zu nennen: Der schwarze Rollkragenpullover spätestens durch den Apple-Gründer Steve Jobs zum Kult erhoben worden. Auch wenn der Apple CEO lange Jahre an seiner schweren Krebserkrankung litt (und schließlich an dieser verstarb), blieb er bis zuletzt der Inbegriff des dynamischen Freigeists, der es mit eigenem Kopf und eigenen Händen bis nach ganz oben geschafft hat. Er hatte es schlicht nicht nötig, sich einem konservativen Dresscode zu unterwerfen. Apple lebt eben nicht in der Vergangenheit, sondern formt die Zukunft. Fakt ist aber auch: Wer (noch) nicht ganz oben angekommen ist, braucht für sein sportlich-lässiges Bürooutfit ein gutes Händchen. Oder eine ebensolche Stilberatung. Dann allerdings kann nur wenig schiefgehen.

Fazit: Der Anzug bekommt Konkurrenz

Und das ist auch gut so. Auch in Zukunft wird es zwar Anlässe geben, zu denen es keine Alternative zum schicken Klassiker gibt. Immer öfter ist casual aber sogar die bessere, weil freundlichere und zwanglosere Wahl. Es lohnt sich, gerade jetzt den eigenen Kleiderschrank zu sichten und vielleicht das eine oder andere Kleidungsstück auszutauschen oder zu ergänzen.

 

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